Bluterkrankung Beta-Thalassämie bald heilbar?
Krankheiten
In Regensburg hat wohl eine Gentherapie gegen die angeborene Bluterkrankung Beta-Thalassämie zum Erfolg geführt. Die Behandlung war einer der ersten Versuche, einem Menschen mit der Genschere Crispr/Cas9 zu helfen.
Die Erbkrankheit, die angeborene Bluterkrankung Beta-Thalassämie wurde wohl erfolgreich von den Regensburger Ärzten behandelt.
Andere Wissenschaftler sind aber noch eher skeptisch.
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Seit dem Eingriff sind jetzt 9 Monate vergangen und die 20-jährige Patientin zeige immer noch normale Blutwerte auf - das teilte das Universitätsklinikum Regensburg mit.
Die Mediziner des Universitätsklinikum Regensburg bewerten diese ersten Ergebnisse als sehr positiv.
Selim Corbacioglu, Leiter der Abteilung für Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Regensburg führte aus: „dass gerade für Patienten, denen keine kurative Alternative angeboten werden kann, diese Therapieform die Heilung von einer schrecklichen Krankheit bedeuten würde“.
Boris Fehse, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gentherapie, äußerte sich zu dieser Behandlung erfreut aber auch skeptisch, da einige Patientendaten aus der Studie veröffentlicht wurden.
Inhalt
Unterscheidung Alpha- und Beta-Thalassämie
Alpha- Thalassämie
Beta-Thalassämie
Bisherige Behandlung einer Beta-Thalassämie
Wie wurde die 20-Jährige behandelt?
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Unterscheidung- Alpha- und Beta-Thalassämie
Die Beta-Thalassämie ist eine angeborene, chronische Erkrankung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin), die den Betroffenen sein ganzes Leben begleitet.
In Deutschland kommt die Erkrankung selten vor. Verursacht wird die Beta-Thalassämie durch Genmutation und ist vererbbar.
Bei dieser Erkrankung, je nach Ausprägungsgrad, ist die Bildung von Bestandteilen der roten Blutkörperchen massiv gestört.
Medizinisch wird zwischen der Alpha- und der Beta-Thalassämie unterschieden.
Alpha- Thalassämie: Für den Alpha-Baustein des Hämoglobins sind vier Gene vorhanden, zwei mütterliche und zwei väterliche. Ist nur eines von diesen Genen mutiert, spricht man von der alpha-Thalassämie minima. Die alpha-Thalassämie minima verläuft ohne Symptome. Sind jedoch zwei Gene defekt spricht man von der alpha-Thalassämie minor, auch intermedia genannt. Hier kommt es zu milden oder keinen Symptomen. Kommt es zum Defekt von drei Genen, leidet der Betroffene an einer alpha-Thalassämie major. Fallen bei Embryonen alle vier Gene aus, sind sie nicht lebensfähig und versterben meist schon vor der Geburt.
Beta-Thalassämie: Jeder Mensch hat für das Hämoglobins zwei verschiedene Beta-Bauanleitungen. Ein Baustein ist in den Genen, die er vom Vater geerbt hat und ein Baustein ist von der Mutter. Wenn einer von diesen Bausteinen verfälscht ist, spricht man von einer Thalassämie minor, dass ist eine leichte Form der Thalassämie. Sie verursacht nur schwache oder keine Symptome. Sind jedoch beide Gene defekt liegt eine beta-Thalassämie major vor. Diese Erkrankung muss auf jeden Fall behandelt werden.
Zudem gibt es noch eine delta- und eine gamma-Thalassämie. Diese beiden Erkrankungen sind jedoch sehr selten und verlaufen normalerweise mild.
Normalerweise werden die verschiedenen Genveränderungen von den Eltern an ihre Kinder vererbt. Entstehen können sie aber auch zufällig, kurz nach der Befruchtung der Eizelle.
Bisherige Behandlung einer Beta-Thalassämie
Menschen, die an dieser Krankheit leiden können bisher nur durch eine Stammzelltransplantation geheilt werden. Dazu muss aber erst ein passender Spender gefunden werden.
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Bis zu einer möglichen Stammzelltransplantation braucht der Betroffene regelmäßig Bluttransfusionen. Das belastet allerdings lebenswichtige Organe wie Herz und Leber. Zudem kann es zu schweren Komplikationen kommen bis hin zum Tod.
Symptome einer Beta-Thalassämie sind zum Beispiel Sauerstoffmangel, Wachstumsstörungen, Knochenerkrankungen, Leber- und Milzvergrößerungen oder Depressionen, je nach Schweregrad der Erkrankung.
Das neue Verfahren, Crispr/Cas9, ist seit ein paar Jahren möglich. Es verändert Erbgut besonders schnell, preisgünstig und präzise. Wie sich dieses Verfahren in der Medizin nutzen lässt, wird gerade intensiv verfolgt.
Wie wurde die 20-Jährige behandelt?
Die Ärzte entnahmen der 20-Jährigen zunächst blutbildende Stammzellen aus dem Knochenmark, danach glichen sie den Gendefekt der blutbildende Stammzellen mit Hilfe des Crispr/Cas9 verfahren aus, indem sie ein alternatives Hämoglobin-Gen aktivierten.
Durch die nun neuen genetischen Eigenschaften stellten die Zellen ein sogenanntes fetales Hämoglobin für den Sauerstofftransport her.
Bevor diese veränderten Zellen in den Körper der Frau zurückgebracht wurden, mussten jedoch die blutbildenden Stammzellen in ihrem Knochenmark zerstört werden, da sie ja noch den Gendefekt in sich trugen. Das geschah durch eine Chemotherapie, genauso wie bei einer Stammzelltransplantation.
Im Anschluss an dieser Behandlung bekam die 20-Jährige die genveränderten Blutstammzellen übertragen. Diese siedelten sich in den Markhöhlen der Knochen an und bildeten dort funktionierende Blutzellen aus. Seitdem übernahm das enthaltene fetale Hämoglobin den Sauerstofftransport im Körper.
Die Patientin benötigte seitdem keine Bluttransfusionen mehr und sie hat normale Blutwerte.
Die Klinik teilte weiter mit, dass sechs Studienzentren weltweit insgesamt 45 Beta-Thalassämie-Patienten mit Crispr/Cas9 behandeln wollen. Diese Probanden sollen über einen Zeitraum von zwei Jahren betreut und nachbeobachtet werden.
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Fazit: Selim Corbacioglu, Leiter der Abteilung für Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Regensburg, führte aus: „Für Patienten, denen keine Alternative angeboten werden kann, würde diese Therapieform die Heilung von einer schrecklichen Krankheit bedeuten“.
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Zurückhaltender äußerte sich Holger Cario von der Kinder-Hämatologie und -Onkologie am Universitätsklinikum Ulm. Er sagte: „Positiv zu bewerten ist, dass gezeigt wird, dass die Behandlung mit dem Crispr/Cas9-Verfahren prinzipiell funktioniert, aber der Erfolg sei jedoch stark davon abhängig, wie viel fetales Hämoglobin die Zellen nach dem Eingriff bildeten und ob dieses ausreichend sei, um den Körper mit Sauerstoff zu versorgen“.
Ein weiterer Gentechnik-Experte, Boris Fehse vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, sagte: „Ich freue mich zwar über die vorläufigen Ergebnisse, als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gentherapie sehe ich es jedoch als sehr kritisch an, aus einer Studie heraus einzelne Patientendaten zu veröffentlichen“ und weiter „man muss eine höhere Zahl von Patienten und eine ausreichend lange Zeit haben, um nachzuweisen, dass eine Therapie funktioniert“.
„Zudem sollte es nicht Schule machen, einen ersten Erfolg nach so kurzer Zeit zu verkünden und es handele sich um nur eine Patientin, bei der Crispr/Cas9 genutzt wurde, um Thalassämie zu behandeln. Ob sie geheilt ist, wissen wir noch nicht“.
Der Ärztliche Direktor für Hämatologie am Universitätsklinikum Heidelberg, Andreas Kulozik, sieht in dem Crispr/Cas9-Verfahren Potenzial, betroffene Menschen zu heilen. Seine Klinik forscht ebenfalls an Beta-Thalassämie unter Verwendung der sogenannten Genaddition, bei der Gene eingefügt werden.
November 2019
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